© Alexej von Jawlensky, Frauenbildnis (Heilandsgesicht), um 1920
Geführte Dossiers des Verbands
Der Verband Kunstmarkt Schweiz „VKMS“ beobachtet die aktuellen Geschehnisse im nationalen wie im internationalen Kunstmarkt und berichtet laufend, fasst relevante Tendenzen und Ergebnisse für seine Mitglieder und interessierte Kreise zusammen. Nebst Information seiner Mitglieder erlaubt es die Führung der so nach sieben Themen geordneten Dossiers dem VKMS eine aktive Rolle in der Diskussion aktueller Fragen einzunehmen, welche die Kunstmarktteilnehmer, aber auch Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Presseberichterstattung beschäftigen. In Ergänzung zu dieser stets aktuell gehaltenen Darstellung informieren wir unsere Mitglieder durch den Versand eines vierteljährlichen Newsletters, der die nationale wie internationale Presseberichterstattung in der Gliederung nach den definierten Dossiers aufnimmt.
Urheberrecht
Geldwäschereiprävention
Kulturgüterschutz
Raubkunst
(Mehrwert-)Steuer
Nachhaltigkeit
Digitalisierung
Urheberrecht
Der VKMS setzt sich dafür ein, dass die Gesetzgebung im Urheberrecht auch im digitalen Zeitalter die Interessen aller Kunstmarktteilnehmer widerspiegelt. So wurde erfolgreich argumentiert, dass eine Einführung des sog. Folgerechts („Droit de Suite“) bedeutend mehr negative Auswirkungen auf den Kunsthandelsplatz hätte. Durch den Vorteil auf diese zusätzliche Abgabe beim Verkauf eines Kunstwerks auf dem Sekundärmarkt zu verzichten profitieren alle Beteiligten, auch die Künstler. Der VKMS beteiligt sich auch weiterhin an aktuellen Diskussionen mit dem IGE (Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum), dem BAK (Bundesamt für Kultur), der ProLitteris u.a.m., etwa zum Thema „Appropriation Art“ oder „Lichtbildschutz“, und informiert seine Mitglieder zum Stand von Gesetzgebung und Praxis im Zuge der digitalen Transformation. Denn gerade auch in Bereichen wie “NFT”, “Tokenisierung von Kunstwerken” etc. wird urheberrechtlichen Fragestellungen vermehrt Bedeutung zukommen.
Geldwäschereiprävention
Der VKMS verfolgt zeitnah die problematische Europäische Entwicklung einer zunehmenden Verschärfung der Geldwäscherei-Richtlinien auch im Kunstmarkt und versucht Einfluss zu nehmen, um durch Aufklärung über die Realität des Berufsstandes von Kunst- und Antiquitätenhandel einer adäquaten Regulierung entgegenzuwirken. Denn Galerien und Händler können nicht gleich behandelt werden wie Banken. Akzentuiert wird die Problematik durch neu geschaffenes Sanktionsrecht gegen russische Oligarchen. Der VKMS arbeitet in all diesen Bereichen aktiv an Selbstregulierungsmassnahmen (formuliert etwa als Verbandsempfehlung der Einrichtung einer Schwelle zur Annahme von Bargeld bis CHF 25’000.–) und führt Gespräche mit verschiedenen Akteuren wie ArtBasel, der Initiative RAM (Responsible Art Market), vor allem aber mit der Bundesverwaltung. Ziel dieser Bemühungen unter Einbezug neuer technologischer Lösungen ist es, eine den Verhältnissen angepasste pragmatisch verstandene Due Diligence beim Ankauf und Verkauf von Werken zu etablieren, um keine weiteren gesetzgeberischen Vorhaben mehr auf den Weg zu bringen, die unverhältnismässigen Aufwand für die Marktteilnehmer generieren.
Kulturgüterschutz
Neue verschärfte EU Regulierung auf 2025:
Die EU hat eine neue Verordnung (EU) 2019/880 betreffend die Einfuhr von Kulturgütern erlassen. Die Umsetzungsfrist für die Mitgliedsstaaten läuft bis 2025. Ziel der Verordnung ist für die Behörde eine erneute Verschärfung der Einfuhr von unrechtmässig aus ihren Herkunftsstaaten ausgeführter Kulturgüter in die EU, und zwar unabhängig davon, ob Objekte direkt aus Herkunftsstaaten oder via Drittstaaten eingeführt werden. Archäologische Kulturgüter stehen im besonderen Fokus der neuen EU-Verordnung und bedürfen generell einer Einfuhrgenehmigung. Dazu muss der Eigentümer mittels Unterlagen und Informationen belegen, dass das Kulturgut aus dem Land, in dem es geschaffen oder entdeckt worden ist, rechtmässig ausgeführt wurde. Ausnahmen von diesem Prinzip gelten nur für archäologische Kulturgüter mit unbekanntem Herkunftsstaat oder bei denen die Ausfuhr aus dem Herkunftsstaat vor dem Jahre 1972 stattgefunden hat. In diesen Fällen wird der Nachweis gefordert, dass das Kulturgut mindestens fünf Jahre in dem herangezogenen Exportstaat belegen war und legal ausgeführt wurde.
Ein solches Herkunftsstaatsprinzip existiert in der Schweiz nur bei Kulturgütern, die direkt aus einem Staat in die Schweiz eingeführt werden, mit welchem die Schweiz eine bilaterale Vereinbarung über die Einfuhr- und die Rückführung von Kulturgütern abgeschlossen hat.
Die neuen, noch einmal verschärften EU-Regulierungen haben noch nicht vollständig absehbare Auswirkungen auf den Schweizer Kunstmarkt: Klar ist, dass die Ausfuhr von bestimmten Kulturgütern aus der Schweiz in die EU spätestens ab 2025 einer Einfuhrgenehmigung bedarf. Wobei die Schweiz selbst bei den eigenen Einfuhren lediglich bei direkten Importen aus bilateralen Partnerstaaten erhöhte Anforderungen hat. Der VKMS befindet sich im Gespräch mit der Fachstelle Kulturgütertransfer des BAK, um hier für den Schweizer Kunstmarkt eine praxistaugliche Antwort auf die Verschärfung der EU-Regulierung zu finden.
Raubkunst
Schaffung einer unabhängigen Expertenkommission für historisch belastetes Kulturerbe 2024:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 22. November 2023 eine Verordnung beschlossen, die auf Anfang 2024 in Kraft gesetzt wurde. Er setzt damit den Auftrag des Parlaments um, welche bloss den ersten Absatz einer viel umfassenderen und verpflichtenderen Motion Pult (I.) zum Gegenstand hatte. Die nun zu schaffende Kommission soll sich vor allem mit NS-Raubkunst und Kulturgütern aus kolonialem Kontext befassen, die während des Nationalsozialismus enteignet oder den Ursprungsgemeinschaften entzogen wurden. Deshalb ist der vom Gesetzgeber neu geschaffene und auslegungsbedürftige Begriff des „historisch belasteten Kulturerbes“ nicht eben glücklich gewählt.
Fraglos hinterliess die Zeit des Nationalsozialismus auch Spuren in der Kunst und Kultur. Kulturgüter aus jüdischem Besitz wurden damals direkt oder indirekt enteignet, wobei über die letzten Jahre die lange gebräuchliche begriffliche Unterscheidung zwischen Raubkunst und Fluchtgut zusehends aufgeweicht wurde. Ein Teil dieser Raubkunst gelangte auch in die Schweiz. Mit der Einsetzung einer noch im Einzelnen zu bestimmenden unabhängigen Expertenkommission schafft der Bundesrat nun eine Instanz, die in den gemeinhin ethisch heiklen und strittigen Fällen den Parteien durch Expertenrat zur Seite stehen soll. Wichtig ist dabei, dass diesen Empfehlungen vom Gesetzgeber bestimmt keine bindende Wirkung zukommen wird.
Daneben steht auch das Schicksal von Kulturgütern aus kolonialem Kontext mehr und mehr im Fokus der Öffentlichkeit. Dabei stehen die Entziehung solcher Güter, die einst den Ursprungsgemeinschaften gehörten, und ihre Überführung nach Europa im Mittelpunkt der Diskussion. Auch Fälle mit dieser Thematik sollen in der unabhängigen Expertenkommission besprochen und sollen Empfehlungen ohne verbindlichen Charakter abgegeben werden.
Angemeldet hat der VKMS gegenüber dem Verordnungsgeber die Problematik der aus unserer Sicht ungenügenden gesetzlichen Grundlage der Verordnung. Sowohl in der Verordnung selbst, wie auch in der Erläuterung zur Verordnung (SR 172.010) wird angeführt, dass die Verordnung sich auf Art. 57c Abs. 2 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz stützt. Gemäss Art. 57b lit. a RVOG können sog. ausserparlamentarische Kommissionen eingesetzt werden, wenn die Aufgabenerfüllung besonderes Fachwissen erfordert, das in der Bundesverwaltung nicht vorhanden ist. Der Bundesrat setzt gemäss Art. 57c Abs. 2 RVOG ausserparlamentarische Kommissionen ein und wählt deren Mitglieder. Gemäss Art. 57a Abs. 1 RVOG ist der Zweck einer aussenparlamentarischen Kommission indessen die ständige Beratung des Bundesrates und der Bundesverwaltung bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Eine Kommission im Sinne von Art. 57a Abs. 1 RVOG ist ein verwaltungsinternes Organ, das grundsätzlich nicht die Kompetenz zur Beratung von Drittpersonen hat. Nach Art. 2 lit. c der nun neu konzipierten Verordnung vom 22. November 2023 gehört zu den Aufgaben der darin geschaffenen Kommission nicht nur die Beratung des Bundesrates sondern gemäss der Erläuterung der Verordnung auch die Beratung von Drittpersonen durch die Erarbeitung von Empfehlungen. Da die Kommission die von der Gesetzesgrundlage umrissenen Kompetenzen u.E. überschreitet, kann Art. 57c Abs. 2 ROVG gemäss des verwaltungsrechtlichen Grundsatzes der Gesetzmässigkeit (Art. 5 Abs. 1 BV) u.E. nur schwerlich als ausreichende Grundlage für die Schaffung dieser Kommission dienen.
Vielmehr ist es u.E. wichtig, sich auch weiterhin (wie bis anhin) der Bundesverwaltung als Gesprächspartner anzubieten. Der VKMS befindet sich hier bereits heute im Austausch mit der Fachstelle des BAK, insbesondere im Hinblick auf einen Miteinbezug des Handels bei der Zusammensetzung der neu zu schaffenden Kommission. Der beim BAK neu ins Leben gerufene Bereich Raubkunst und Provenienzforschung wird dabei die Aufgaben der bisherigen Anlaufstelle Raubkunst per 1. April 2024 übernehmen und hat die Provenienzforscherin Frau Nikola Doll für die Führung des Sekretariats der unabhängigen Kommission für historisch belastetes Kulturerbe berufen. Zudem wird sie für den Betrieb der im Aufbau begriffenen Internetplattform für Provenienzforschung in der Schweiz zuständig sein, zu der sich auch der VKMS bereits hat vernehmen lassen. Wir raten dazu diese Gespräche weiterzuführen und von Seiten des Verbands einen motivierten und fähigen Kandidaten für die Mitwirkung in der Kommission vorzuschlagen.
(Mehrwert-)Steuer
Der VKMS ist im Gespräch mit Zoll- und MWST-Behörden, mit Lagerhaltern, Transporteuren, Versicherungen und weiteren Akteuren der Branche. Halbwahrheiten soll durch eine transparente Information über die aktuelle Zoll- und Steuergesetzgebung entgegengetreten werden. Es soll darauf hingearbeitet werden, dass zukünftige Anpassungen insb. der MWST- und der Zoll-Gesetzgebung die Realitäten der verschiedenen Transaktionen im Kunstmarkt abbilden. In Zeiten nach der Pandemie wird die Rede vom Bürokratie-Abbau endlich in Taten umzusetzen sein. Auch für Steuermodelle zum Anreiz für den Erwerb von Kunstwerken will der VKMS sich einsetzen.
Nachhaltigkeit
Sustainability ist das wohl drängendste Thema der Gegenwart – auch in der Kunstwelt. Die Akteure sind auf der Suche nach Möglichkeiten Ressourcen einzusparen und ihren ökologischen Fussabdruck zu reduzieren. Energieverbrauch, Lagerung, Transport, Reisen, Ausstellungsorganisation: In allen Bereichen gibt es Handlungsbedarf. Der VKMS stellt sich dem ökologischen Umbau des Kunstbetriebs und evaluiert laufend Anbieter, die in diesem Bereich interessante Dienstleistungen anbieten. So etwa im Bereich Transport und Logistik Unternehmen, die markttaugliche Systeme wiederverwertbarer Transportboxen anbieten. Zudem unterstützt der VKMS das Projekt der Gallery Climate Coalition (GCC) auch in der Schweiz ein „Office Switzerland“ aufzubauen.
Digitalisierung
Der VKMS verfolgt in diversen Digitalisierungsprojekten (zu Themen wie Geldwäscherei und Provenienzrecherche, Authentizitätsfragestellungen) die Entwicklung des Marktes sehr genau. Auch bei dieser Transformation des Kunstmarktes, die zufolge COVID-19 eine unglaubliche Beschleunigung erfahren hat, will der VKMS für die Verbandsmitglieder eine führende Rolle einnehmen und Hilfestellung anbieten, damit auch kleineren Betrieben ein Zugang zu digitalen Geschäftsmodellen nicht verwehrt wird. Auch im Bereich Nachhaltigkeit werden neue Geschäftsmodelle verfolgt.
Über die rein wirtschaftlichen Interessen hinaus will der VKMS die kulturelle Bedeutung der Arbeit der Mitglieder der vier Kunsthandelsverbände hervorheben. Ein intakter Kunsthandel ist noch immer eine treibende Kraft für einen vitalen Kulturstandort Schweiz. Um diese wichtige Arbeit auch in Zukunft fortsetzen zu können, bedarf es der Führung eines Dialogs mit den Instanzen in Politik und Recht, die sich den Besonderheiten des Kunstmarktes nicht verschliesst.